Hermann Kesten

Der Schriftsteller Hermann Kesten wäre am 28. Januar 100 Jahre alt geworden. Kesten, seit 1980 Ehrenbürger der Stadt Nürnberg, wuchs hier auf, besuchte hier Grundschule und Gymnasium. 1933 floh er aus Deutschland und emigrierte 1940 nach New York. Von dort aus setzte er sich zusammen mit Thomas Mann für die Rettung zahlreicher europäischer Schriftsteller aus Deutschland und den von Deutschen besetzten Teilen Europas ein.

In den 20er Jahren galt Kesten als herausragender Vertreter der “Neuen Sachlichkeit”, der sich in seinen Romanen vor allem gegen gesellschaftliche Zwänge wandte. Nach dem 2. Weltkrieg schrieb er neben Romanen und Novellen auch zahlreiche Erzählungen. Aus diesem Fundus heraus entstand das Buch “Mit Menschen leben”, herausgegeben von Prof. Dr. Wolfgang Buhl (1999, ars vivendi verlag), aus dem die Bewegten Worte entnommen sind.

1995 stiftete Hermann Kesten das Preisgeld des ersten Internationalen Menschenrechtspreises der Stadt Nürnberg, der alle zwei Jahre verliehen wird.

Die Stadt Nürnberg richtet zum 100jährigen Geburtstag ihres Ehrenbürgers eine Reihe von Veranstaltungen aus. Zu Ehren Kestens tagen im Mai 2000 auch die Mitglieder des Schriftstellerverbandes PEN in Nürnberg, dessen Präsident er von 1972 bis 1976 war.

Wer sich ein Bild von dem Schriftsteller machen will, kann dies übrigens im Innenhof der Stadtbibliothek tun: dort erinnert die Bronzestatue “Hermann K. als Spaziergänger” an ihn. Leben und Werk Kestens kann auch im Internet gelesen werden: www.kesten.de

Die VAG präsentiert in den U-Bahnen Zitate des Schriftstellers
Hermann Kesten aus dem Buch “Mit Menschen leben”.

Der Fluß, der sich die Mühe gibt, durch Nürnberg zu fließen, trägt keinen Ruhm davon. Er heißt Pegnitz, und dies ist ein stiller Name. Er sieht lehmig aus und gibt Anlaß zu mancher schöner Brücke. Nachts schimmern die Sterne in ihm. Lebensmüde benützen ihn nur selten und ungern. ... Ob hier Erzengel leben, weiß ich nicht. Gott selbst wohnt auswärts.
(S. 61/62)

Wer nicht die Sprache der Zeit spricht, wird überhört. Wer nur der Zeit nachplappert, bleibt belanglos. ... Es gibt keine unpolitische Literatur. Denn Literatur stand immer im Kampf gegen die Politik, gegen die herrschenden Mächte, oder sie stand in ihrem Dienst, aus Überzeugung, aus Furcht, aus Korruption.
(S. 120/121)

Die Stadt Nürnberg ist ein Traum, der sich meiner bemächtigt hat, ein Angsttraum, ein Glückstraum. Kein Träumer ist Herr über seine Träume. Kein Dichter ist Herr über seine Figuren. Nürnberg ist ein gotischer Traum im 20. Jahrhundert, ein Alptraum, ein Tagtraum, eine Illusion und eine steinerne staubige stürmische Realität, auf dem Weg zur Zukunft.
(S. 159)

Wiedersehen in Nürnberg:
...es roch nach Safran und Bärendreck, nach Käsekuchen und Pfefferplätzchen und Bier, nach Ochsenmaulsalat und Bratwürstchen, nach Leder und lutherischen Bekenntnissen, nach öffentlicher Liebe und Pissoirs, nach Freimaurerei und gebackenen Karpfen, nach Spargel und kondensiertem Mittelalter.
Ach, zuweilen rieche ich noch im Traum diese längst verschollenen Kindheitsgerüche und stehe vor meiner ganzen Kindheit wieder, und vor dem Schattenspiel meiner verlorenen
Jugend... 
(S. 161)

Über alles liebe ich die Freiheit. Ich hielt die Würde des Menschen und die Humanität für die schönsten Früchte der Zivilisation. Ich war ein Individuum und ließ Individuen gelten. Wie ich glaubte, daß man Kinder erziehen könnte, so glaubte ich auch an die Erziehung der Menschheit. Nicht nur der Haß, sondern auch die Liebe wirkt ansteckend, ja in der Entwicklung der Menschheit war sie stets um einen Schritt voraus. 
(S. 33)

 


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