Die Baron Gautsch

Die Baron Gautsch ist wohl das Highlight der Wracks in der Nordadria. Darum widme ich ihr hier eine eigene Seite. Die Daten stammen zum Großteil von Herwig Strauss und weiteren Quellen im Netz.

Bau und Geschichte der Baron Gautsch

Dies ist die Geschichte eines Schiffsunterganges am Anfang des letzten Jahrhundert. Zwei Jahre nach dem Untergang der “Titanic”, nicht ganz so spektakulär und medienwirksam, doch ebenso tragisch, und wie der Untergang der “Titanic” ist auch der des “Baron Gautsch” eine Geschichte menschlicher Unzulänglichkeiten, eine Abfolge tragischer Zufälle. 

Die Geschichte beginnt im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Triest ist der bedeutendste Seehafen der k.u.k. Monarchie, der Österreichische Lloyd ihre größte und mächtigste Reederei. Eildampfer werden benötigt, um die Außenposten des Reiches im Süden zu versorgen: Cattaro (Kotor), Ragusa (Dubrovnik) sind die dalmatinischen Haupthäfen, die für Militär und Wirtschaft zunehmende Bedeutung erlangen. Um sie zu erschließen, läßt der Lloyd unter seinem Präsidenten Dr. Derschatta neue Schiffe auf Kiel legen. Und weil die Kapazität des Stabilimento tecnico Triestino, der Triestiner Werft ausgelastet ist und in Fiume (Rijeka) der Stolz der ungarischen Reichshälfte, das Schlachtschiff “Szent Istvan" gebaut wird, greift man auf die Werft “Gourlay Brothers & Co. Ltd." im schottischen Dundee zurück, um dort zwei der drei neuen Schnelldampfer für die dalmatinische Eillinie bauen zu lassen. 

Ihre Namen lauten “Baron Gautsch”, “Baron Bruck” und “Prinz Hohenlohe”. Nur die “Baron Bruck” wird in der Triestiner Werft S.Rocco gebaut. Dieses Schiff geht nach dem I. Weltkrieg in italienischen Besitz über und wird unter dem Namen “Friuli" weiter eingesetzt. Im Gegensatz zu ihren Schwesterschiffen hat sie nur zwei Kessel, die seine beiden Schrauben antreiben. Die beiden in Schottland gebauten Schwesterschiffe haben deren drei, die mit insgesamt 4.600 PS auf die Bronzeschrauben wirken. Man erwartete sich von der dritten Maschine eine gewaltige Leistungssteigerung, die jedoch nicht erzielt wurde. Daher wird die “Baron Bruck” von Anfang an nur mit 2 Maschinen konzipiert. Befeuert werden die Kessel, die den nötigen Dampf erzeugen sollen, nach neuester Technologie nicht mehr mit Kohle, sondern mit Schweröl. Alle drei Schiffe sind 84,5m lang, knapp 12m breit und haben eine Wasserverdrängung von ca. 2.100 BRT. 1908 läuft die “Baron Gautsch” als erstes der drei Schiffe vom Stapel, das letzte ist die “Baron Bruck” 1913.

Namensgeber des Schiffes “Baron Gautsch” war der Kärntner Baron Paul Gautsch v. Frankenthurn, Ende des 19. Jahrhunderts zuerst Unterrichtsminister, später dann Ministerpräsident und Innenminister der k.u.k. Monarchie.

Die verspätete Lieferung sowie die zu geringe Leistung der Maschinen gab Anlaß zu Reklamationen bei der Werft, Gourlay Bros. & Co., Ltd., was zu umfangreichen Umbauten durch Werftmannschaften im Heimathafen des Schiffes, Triest, führte. Die hohen Kosten für diese Umbauarbeiten trugen letztendlich dazu bei, daß Gourlay Bros. & Co., Ltd. am 23.10.1910 den Bankrott erklärte und liquidiert werden mußte.

Der Krieg traf die österreichische Handelsflotte überraschend, aber nicht unvorbereitet. Die Schiffe, die sonst fröhliche Sommergäste entlang der adriatischen Küste in die aufstrebenden Seebäder transportiert hatten, die Luxusdampfer, die die Schnellverbindungen zwischen Triest und den großen Häfen des Mittelmeeres aufrechterhielten, die Liniendampfer, die den regelmäßigen Verkehr von Übersee besorgten und arm und reich gleichermaßen sicher, wenn auch mit durchaus unterschiedlicher Bequemlichkeit, ans Ziel brachten: Sie alle erhielten nahezu über Nacht eine neue Aufgabe: Handelsschiffsoffiziere und Lotsen traten in den Dienst der Kriegsmarine ein, fast alle von Ihnen waren ja Reserveoffiziere. Die Schiffe erhielten einen Anstrich, der sie unsichtbar oder zumindest weniger sichtbar machen sollte: Weiße Schiffe, Bordmusik und Festmenüs, all diese Herrlichkeit war nun dahin. In den Tagen vor und nach dem 28. Juli 1914, dem Tag des Kriegsausbruchs, drängten die Urlauber möglichst schnell nach Hause. Die Männer wurden zu ihren Truppenkörpern gerufen, um den leichten Anzug und den Strohhut gegen die hellgraue Uniform zu tauschen. Die Frauen kümmerten sich um die Kinder und, das damals meist umfangreiche Gepäck und das Dienstpersonal.

Dieses Schicksal traf nach Kriegsausbruch auch die “Baron Gautsch”. Sie wurde am 27.7.1914 von der k.u.k. Kriegsmarine angemietet, um Augmentationstruppen (Verstärkungen) nach Cattaro (Kotor) zu transportieren. Auf 4 Fahrten in Miete wurden 1810 Seemeilen zurückgelegt und 2855 Personen befördert. Auf der Rückreise wurden jeweils Zivilisten in die obere Adria evakuiert.

Nach Abschluß der Augmentation wurde das Schiff am 11.8.1914 dem Lloyd in Cattaro (Kotor) zurückgegeben. Vor der Abreise nach Cattaro (Kotor) fand in Triest eine Besprechung im k.u.k. Seebezirkskommando statt, bei der einem Offizier des Schiffes Anweisungen über den Kurs gegeben werden sollten, den das Schiff wegen der von der k.u.k. Kriegsmarine zu legenden Minenfelder einzuhalten haben würde. Der Kapitän des “Baron Gautsch”, Paul Winter, entsandte den II. Offizier, Tenze, zu dieser Besprechung, der seinem Kapitän berichtete, worauf der I. Offizier, Luppis, den Kurs festlegte. Schriftliche Aufzeichnungen über die Minenfelder durften aus Geheimhaltungsgründen nicht angefertigt werden. Im weiteren Verlauf der Reise erhielt die Schiffsführung ergänzende Weisungen der Militärbehörden in Zara (Zadar), die im wesentlichen jenen des Triestiner Seebezirkskommandos entsprachen.

Ein Unglück bahnt sich an

Während die Dampfer in Sonderfahrten zwischen den Badeorten und dem Hafen Triest pendelten, ereignete sich am 13. August 1914, die Doppelmonarchie war bereits im Krieg, jenes schwere Schiffsunglück. Auf der Rückfahrt von Cattaro (Kotor) nach Triest nahm die “Baron Gautsch” neben den Flüchtlingen aus Bosnien und der Herzegowina auf den dalmatinischen Inseln noch Sommerfrischler an Bord, darunter die Familie einer der letzten Überlebenden der Katastrophe, Frau Carmen Rubini-Suttora. 

Gegen 11:00 Uhr lief das Schiff mit 240 Fahrgästen und 66 Mann Besatzung auf dem Weg von Dalmatien nach Triest aus dem Hafen von Lussin Grande (Veli Losinj) aus. An Bord waren hauptsächlich Sommerurlauber und Flüchtlinge aus Bosnien und der Herzegowina, darunter sehr viele Frauen und Kinder der dort stationierten  österreichisch-ungarischen Militärangehörigen, die zurück nach Österreich wollten. Die geplante Ankunft in Triest war gegen 18:00 Uhr vorgesehen. Von Lussin bis auf die Höhe von Pola (Pula) hätte Luppis die Wache zu führen gehabt, übergab diese jedoch ohne Zustimmung und Erlaubnis des Kommandanten dem II.Offizier Tenze und speiste mit den Passagieren der I.Klasse zu Mittag. Tenze hätte ohnehin um 14:00 Uhr den Dienst zu übernehmen gehabt, daher verließ Luppis gegen 13:45 Uhr die Brücke. 

Über den Grund des Untergangs wurde später viel spekuliert. Man kann aber davon ausgehen, daß der erste Offizier, der zum Zeitpunkt des Unterganges das Kommando hatte, sich nicht an den vorgegebenen Kurs gehalten hat. Der Kurs des “Baron Gautsch” führte weiterhin nach Norden. Durch diesen Navigationsfehler gerät das Schiff viel näher an der Küste, als es die Anweisungen der Militärbehörden verlangten. Auch eine Begegnung mit dem Schwesterschiff "Prinz Hohenlohe", das 3 Seemeilen weiter von der Küste nach Dalmatien unterwegs war, und mehrere Hinweise von Reisenden dem kommandierenden Offizier gegenüber die gerüchteweise von der bevorstehenden Verlegung von Minen zur Sicherung der Hafeneinfahrt von Pola (Pula) gehört hatten, führten zu keiner Kurskorrektur.

Ca. 7 Seemeilen nördlich der Brionischen Inseln lief der Dampfer um ca. 14.45 Uhr mit voller Fahrt in das gerade erst verlegte Minenfeld der eigenen Marine. Der Minenleger "Basilisk" gab noch Warnsignale, die jedoch nicht beachtet wurden. Im letzten Moment versuchte der Schiffsführer den Dampfer nach Westen, aus der Gefahrenzone heraus zu steuern, doch zwei Explosionen zerrissen die Bordwand an Backbord. Das Schiff machte einen starken Ruck, sodaß viele Personen zu Boden stürzten. Eine allgemeine Hektik entstand. Alles lief zu den Rettungsbooten, von denen mehrere nicht herabgelassen werden konnten, da die Taue meist verwickelt, und die schon überfüllten Boote schwer zu heben waren. Deshalb sprangen viele ins Meer, wo sie zum Teil gerettet wurden. Das Schiff legte sich rasch auf die linke Seite und sank nach höchstens sieben Minuten an den Koordinaten 44°56'1" nördlicher Breite, 13°33'3" östlicher Länge (Tauchkoordinaten liegen bei N44°56'25" E13°34'40"). Nach Aussage der Passagiere hatte die Schiffsbesatzung wenig Interesse zur Rettung der Fahrgäste, und sorgte zunächst für ihre eigene Rettung. Das erste Rettungsboot soll größtenteils von Personen der Schiffsbesatzung eingenommen worden sein.

Worte einer Überlebenden

“Der Steward öffnete gerade die Kabinentür, um uns den Kaffee zu servieren, als eine gewaltige Explosion das Schiff erschütterte.Wir alle wurden in die Luft geschleudert, und das Tablett mit dem Kaffeeservice fiel in hohem Bogen zu Boden." Carmen Rubini-Suttora, eine von zwei noch lebenden Frauen, die den Untergang überlebt haben, schildert noch einmal die schrecklichen Ereignisse, die ihrer Mutter und ihren beiden Brüdern das Leben kosteten. Die heute 92jährige erinnert sich auch an das Chaos, das auf dem todgeweihten Schiff ausbrach: “Wir liefen aus der Kabine an Deck, und ich erkannte den Kapitän, der in Unterhosen versuchte, Rettungsmaßnahmen einzuleiten. Meine Mutter hatte meinen jüngsten Bruder auf dem Arm. Zum letzen mal sah ich sie an der großen Wendeltreppe am Promenadendeck."

Der Untergang

Das Schiff nahm rasend schnell Wasser auf, bekam so starke Schlagseite, dass die Steuerbord-Rettungsboote nicht mehr ausgebracht werden konnten. Von den 240 Fahrgästen und 66 Mann Besatzung wurden 159 Personen von den zu Hilfe eilenden österreichisch-ungarischen Zerstörern “Csepel", “Triglav" und “Balaton" gerettet, 68 tot geborgen, die übrigen ertranken, ohne daß die Leichen gefunden werden konnten. Für einen großen Teil der Verluste mit verantwortlich ist das aus den geborstenen Öltanks ausfließende Schweröl durch das viele einen grausigen Tod fanden da es Mund und Nase verklebte, sodaß sie ertranken oder erstickten. Als das Öl auch noch Feuer fängt kommen viele weitere in den Flammen um.

Carmen Rubini hatte Glück: Auf der Insel Lussino (Losinj) aufgewachsen und mit dem Meer vertraut, konnte sie schwimmen, sprang über Bord und wurde gerettet. Ihre Mutter und zwei ihrer Brüder verloren bei dem Unglück ihr Leben.

Waren damals Sorglosigkeit oder Schlamperei im Spiel? Wer möchte das heute noch entscheiden. Die Toten der “Baron Gautsch” ruhen heute auf dem Marinefriedhof des ehemaligen Hauptkriegshafen Pula, neben den toten Matrosen, Unteroffizieren und Offizieren der Kriegsmarine. Man sollte sich während eines Urlaubes an der Adria ihrer entsinnen, ehe ihr Schicksal für immer von den Stürmen der Zeit verweht ist.

In die Rubrik “menschliches Versagen" ist wohl auch der Umstand einzureihen, dass der Kapitän in seiner Kabine schlief, der I. Offizier mit den Passagieren der I. Klasse speiste und der II. Offizier angesichts der Aussichtslosigkeit der Situation in Panik geriet. Es wird berichtet, dass seine Leiche mit einer Kugel im Kopf einige Tage nach dem Unglück bei Pola (Pula) angeschwemmt wurde. Er dürfte aus den Folgen seiner Schiffsführung die Konsequenzen gezogen haben.

Nach der Katastrophe

Kapitän und I. Offizier wurden gerettet und in Pola (Pula) unter Hausarrest gestellt. Die Anklage gegen sie und das Verfahren vor dem Seegericht dürften sich allerdings nicht negativ auf ihre Karrieren ausgewirkt haben, da sie in den zwanziger Jahren wieder als Schiffsführer in den Listen des nunmehrigen “Lloyd Adriatico" aufscheinen. Kapitän Winter befehligte sogar Überseedampfer, die im transatlantischen Verkehr eingesetzt wurden!

Durch den weiteren Verlauf der Ereignisse ist der Ausgang des Verfahrens nicht bekannt, zumal das Unglück der bereits unter Kriegszensur stehenden österreichischen Presse und damit der Bevölkerung verheimlicht wurde, weil sein Bekanntwerden der Moral schaden hätte können. Ausführliche Berichte und Listen der Überlebenden der Katastrophe erschienen allerdings in den Triestiner Zeitungen.

Das offizielle Österreich litt mit dem Lloyd, was viele in Triestiner Zeitungen abgedruckte Depeschen von Wiener Regierungsstellen bezeugen, die allesamt an den Präsidenten des Lloyd, de Derschatta, gerichtet sind. Offizielles Mitgefühl mit den Opfern des Unglücks wurde hingegen nicht bekundet. Schadenersatzforderungen wurden vom Lloyd zunächst abgewiesen, später wurden vom Handelsministerium 200.000 Kronen für die Geschädigten bereitgestellt.

Die Hinterbliebenen klagten den Lloyd in Wien auf Schadenersatz. Der Prozess zog sich hin, die Akten über den Untergang des “Baron Gautsch” wurden vom Kriegsarchiv dem LG für Zivilrechtssachen in Wien entlehnt und wurden dort im Justizpalastbrand während der Juliunruhen des Jahres 1925 vernichtet.

Der Rechtsanwalt der Hinterbliebenengemeinschaft, ein Dr. Schapiro, war Jude, was zur Folge hatte, dass seine Kanzlei während der Pogrome von 1939 von den Nationalsozialisten ausgeräumt wurde. Dabei ging auch Schapiros Handakt verloren, sodass abgesehen von der Übersetzung der Anklageschrift der k.u.k. Staatsanwaltschaft in Rovigno (Rovinj) gegen Kpt. Winter und I.O. Luppis keinerlei offizielle Unterlagen mehr über den Untergang des “Baron Gautsch” aufzufinden sind.

Unmittelbar nach dem Untergang des “Baron Gautsch” und der Rettung der Überlebenden wurde ein Helmtaucher der k.u.k. Kriegsmarine zu dem Wrack abgesetzt; von ihm konnte nur mehr der Luftschlauch an die Oberfläche gebracht werden.

Weiteres Schicksal der "Baron Gautsch"

Nach dem I. Weltkrieg wurde der “Baron Gautsch” in den 20er Jahren von der jugoslawischen Marine als Angriffsziel für Marinetaucher benutzt und weiter zerstört. Wie heute ersichtlich, wurden auch die Schrauben in dieser Zeit abmontiert und geborgen - Buntmetallbeschaffung in der Zwischenkriegszeit. Danach geriet die “Baron Gautsch” erstmal in Vergessenheit.

Seine Position muss aber seit einigen Jahren kroatischen Fischern bekannt gewesen sein, die immer wieder - gegen gute Bezahlung, aber ohne Garantie, das Wrack zu finden - Tauchern die Möglichkeit boten, den “Baron Gautsch” zu betauchen. Als Hindernis für die Schleppnetze war es den Fischern seit jeher lästig. Davon zeugen auch viele zerrissene Netzreste an verschiedenen Stellen des Wracks.

Seit etwa 1992 sind auf dem Flohmarkt und in Antiquitätengeschäften in Wien immer wieder Souvenirs aus dem “Baron Gautsch”, von der WC-Schüssel über Silberbesteck bis zum Likörglas aufgetaucht. Dazu ist festzuhalten, dass die Schiffe des Lloyd kein eigenes Schiffsporzellan etc. führten; alle Stücke waren lediglich mit dem Wappen des Llody und dem Wahlspruch "Vorwärts" markiert.

Eine Information der nautischen Vereinigung “Aldebaran”, Triest, ergab, dass dort bereits 1981 die Pläne des “Baron Bruck” ausgehoben und kopiert wurden. Das Wrack des “Baron Gautsch” dürfte also schon damals betaucht worden.

Das Wrack wurde 1958 im Auftrag eines Geschäftsmannes aus Triest von dem auf Schiffsbergungen spezialisierten Unternehmen “Brodospas" aus Split (Spalato) gesucht. Die genaue Position konnte nach 14 Tagen der Suche am 15. August 1958 bestimmt werden. Die Position wurde am 26. August 1958 von einem Angestellten der Bergungsfirma, dem Taucher Libero Giurissini, der Hafenkommandatur von Triest angezeigt, vermutlich, weil sich dieser nach dem geltenden Seerecht einen Anteil von 15% aller aus dem Schiff zu bergenden Werte sichern wollte.

Die Kommune Rovinj erkannte rasch die Bedeutung, die ein so großes und berühmtes Wrack vor der Küste für den istrianischen Tauchtourismus hat. 1993 drehte die italienische RAI eine Fernsehdokumentation über den "Baron Gautsch", den Untergang und das Wrack, und in rascher Abfolge erschienen Berichte in italienischen und österreichischen Zeitungen.

Am 80. Jahrestag des Unterganges, dem 14. August 1994 stand ganz Rovinj im Zeichen einer Gedenkveranstaltung unter Mitwirkung der Kirche, militärischer und politischer Würdenträger. Auf See wurden Kränze im Gedenken an die Opfer versenkt, eine Gedenktafel wurde am Wrack angebracht. Die RAI-Dokumentation wurde am Abend auf dem Hauptplatz von Rovinj auf eine Großbildleinwand projiziert, und jeder in Rovinj anwesende Tourist wurde mit der Geschichte dieses Schiffes konfrontiert.

Ernennung zum Kulturdenkmal und Ziel für Sporttaucher

Da nur ein Teil der Opfer des Unterganges geborgen worden war, gab es Bestrebungen seitens der kroatischen Regierung, das Wrack zum Kriegsgrab zu erklären und unter entsprechenden Schutz zu stellen. Obwohl bei keinem der bisher durchgeführten Tauchgänge menschliche Überreste gefunden wurden, wäre Tauchen dann wohl nicht mehr möglich gewesen. Diese Bestrebungen wurden vom österreichischen Marineverband sehr gefördert, was sich auch im Rahmen einer Pressekonferenz während der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Unglückes im August 1994 zeigte.

Als Folge davon wurde der “Baron Gautsch” im Oktober 1995 zum nationalen Kulturdenkmal erklärt, nicht jedoch, bevor die kroatische Spezialpolizei nochmals eine eingehende Erforschung (und letzte gründliche Räumung des Wracks von allem nicht Niet- und Nagelfesten) durchgeführt hatte, und mit einem absoluten Tauchverbot belegt. Damit wäre den in der Gegend ansässigen Tauchbasen eine wesentliche Existenzgrundlage entzogen worden.

Letztendlich hat sich jedoch die Vernunft durchgesetzt, Sondergenehmigungen wurden erteilt und heute ist es wieder möglich, unter Leitung des DIVER SPORT CENTERS in Rovinj, Tauchgänge am Wrack des “Baron Gautsch” durchzuführen.

Derzeitiger Zustand des Wracks

Das Wrack liegt auf ebenem Kiel in 40 m Tiefe auf dem Sand- und Schottergrund. Es ist - nach 80 Jahren - völlig mit Schwämmen, Muscheln, Algen und anderen Meereslebewesen überwachsen und wird von unzähligen Fischen als Versteck benutzt, scheint es doch die einzige Erhebung über den Meeresgrund in einigem Umkreis zu sein. In dem Wrack wurden bereits kapitale Meeraale und Thunfische gesichtet.

Der Zustand des Wracks entspricht nicht mehr ganz dem, was die Beschreibung "fast vollständig erhalten" erwarten läßt: Die Brücke und der vordere Schornstein fehlen völlig, der achtere Schornstein ist umgestürzt und ragt in das Innere des Schiffes. Die Holzfußböden zwischen den drei Decks sind in einem Zustand weitgehenden Zerfalls, sodaß es möglich ist, horizontal wie vertikal hindurchzuschwimmen. Die Glasscheiben der Fenster sind nicht mehr existent, die Davits der Rettungsboote an Backbord weisen nach konnten. Zeitgenössische Berichte vermelden, daß sich die Besatzung ohne jede Rücksicht auf Frauen und Kinder unter den Passagieren in Sicherheit gebracht haben soll.

Der vordere Mast ist geknickt und liegt schräg über den Aufbauten, der achtere Mast liegt an Steuerbord neben dem Wrack auf dem Sandgrund. Möglicherweise finden sich noch Teile in der Umgebung des Schiffes, ebenso wie evtl. der fehlende vordere Schornstein.

Das Fehlen des vorderen Schornsteins sowie die Tatsache, daß der achtere Schornstein umgeknickt ist und in das Schiffsinnere hineinragt, könnte sich damit erklären, daß die Mine in weiterer Folge die Explosion des Kessel auslöste, die sich nach oben entlud und den Schornstein wegsprengte. Dafür würden auch die zeitgenössischen Berichte sprechen, die zwei Explosionen erwähnen, obwohl die "Baron Gautsch" nur von einer Mine getroffen wurde.

Die Position des Schiffes ist mittels terrestrischer Navigation nur schwierig zu ermitteln, mit den modernen Methoden der Satellitennavigation und Echolot ist es jedoch auch bei einigem Seegang - Kenntnis der Position vorausgesetzt - kein Problem, das Wrack zu finden. Probleme verursacht eher der Wellengang, der es speziell gegen Ende des Sommers nicht mehr ganz mühelos gestaltet, mit kleinen Schiffen die Position zu halten, Taucher auszusetzen und auch wieder an Bord zu nehmen.

Tauchen am Wrack der "Baron Gautsch"

Das Wrack ist sehr angenehm und verhältnismäßig problemlos zu betauchen. An den vorderen Aufbauten ist an Backbord die Bojenleine befestigt. Eine große Metallboje in 3 Metern Tiefe markiert die Position des Wracks. Bereits der Abstieg ist ein Erlebnis, wenn sich in ca. 10-15 Metern Tiefe, je nach Sicht, die Umrisse des versunkenen Schiffes aus dem Blau der Umgebung zu schälen beginnen.

Die Oberkante der erhaltenen Aufbauten liegt in 28 Metern Tiefe, der Grund bei exakt 40 Metern. Sehr eindrucksvoll ist es, sich vor dem Bug zum Grund hinabsinken zu lassen und den Bug des Wracks auf sich wirken zu lassen, der gespenstisch und zugleich majestätisch-elegant wirkt.

Für eine erste Erkundung des Schiffes empfiehlt es sich, anschließend die großen Salons der obersten beiden Decks zu besuchen, die von unendlich vielen Fischen bewohnt und von blauem Licht durchflutet sind, besonders an schönen, hellen Tagen.

Bleibt nun noch genug Luft und Nullzeit, könnte man im Bereich der vorderen Aufbauten in diverse Löcher und Spalten leuchten, um den einen oder anderen Conger aufzuspüren. Das größte Exemplar, ein Fisch von 2,5 Metern Länge und 20 cm Durchmesser, wohnt im Stumpf des abgebrochenen vorderen Mastes. Es hört auf den Namen "Ugi" und wird von den Guides des DIVER SPORT CENTERS mit Vorliebe gefüttert. Aber auch kleinere Meeraale leben im Bereich der oberen Aufbauten, und ein großer Hummer in einem Loch hinter dem Lotsenhäuschen freut sich über jedes Stück Fisch, das man ihm hinhält.

Oder man macht noch einen Blick auf die Fensterfront der vorderen Aufbauten. Dort befindet sich die 1994 angebrachte Gedenktafel, daneben hängt eine Tafel, mit Lorbeer bekränzt, die 1995 von ungarischen Tauchern dort befestigt wurde. >

Zumeist ist damit ein erster Erkundungstauchgang am "Baron Gautsch" beendet. Doch wenige Taucher begnügen sich damit. Sie wollen mehr von dem Wrack sehen. Und auch wenn das DIVER SPORT CENTER darauf besteht, daß aus Sicherheitsgründen nur die obersten beiden Decks betaucht werden sollen, gibt es hier genug zu entdecken: Man kann etwa die Laufgänge an den Außenseiten der großen Salons entlangtauchen, sieht dabei überall in die Salons hinein und stellt sich die Passagiere vor, die hier in besseren Zeiten flanierten.

Interessant ist auch das Heck: Das Ruder ist vollständig erhalten, doch die drei Schrauben fehlen. Über sich sieht man die gewaltige Rundung des Hecks. Steigt man nun an Backbord auf, erreicht man eine offenstehende Ladeluke, die in das dritte Deck führt. Meist lassen sich hier Conger beobachten.

Das von der Mine gerissene Leck ist übrigens nicht zu sehen; es befindet sich mittschiffs an Backbord im Boden, tief unter der Wasserlinie des Schiffes, sodaß die Stelle heute völlig unter den seitlich herabgefallenen Muschelschalen verborgen ist.

Freischwimmenden Congern begegnet man mitunter auch, wenn man im Bereich des vorderen Salons in das dritte Deck absteigt und sich backbords in Richtung des Hecks des Wracks bewegt. Aber Vorsicht, der Gang ist eng und dunkel, ohne starke Lampe und Sicherungsleine nicht zu betauchen. Links kommt man an der Kombüse vorbei, eine Bassena ist unter ihrem Bewuchs noch deutlich zu erkennen. Rechts waren Wasch- und Toilettenräume, dahinter befanden sich Vorratsräume für Wein und Geschirr. Der Fußbodenbelag aus Linoleum ist noch in Teilen erhalten. Hier wurden auch viele Flaschen, Teller und Besteckteile gefunden. Schwimmt man den Gang zu Ende, kommt man auf der Höhe der achteren Salons in einen größeren Laderaum, aus dem man wieder in die oberen Decks aufsteigen kann.

Schwimmt man im 2. Deck aus dem vorderen Salon nach achtern, kommt man an den achteren Schornstein, der in den Kesselraum umgestürzt ist. dahinter erreicht man den Maschinen- und den Generatorenraum, um dann wieder in die achteren Salons gelangen.

Technische Daten

Name Baron Gautsch Schiffstyp Passagierdampfer
Koordinaten N44°56'25"
E13°34'40"
Größe 84,5 m lang
11,64 m breit
7,5 m hoch
Tiefe 28 - 40 m
Ort Vor Istrien (Nordadria) Gesunken 13.08.1914 Baujahr 1908 (Stapellauf)
Eigner Östereichischer Lloyd Tonage 2069 BRT
861 NRT
Maschine Ölheizung, 3 Schrauben
4600 PS
Kommentar: - Tauchgänge 0
Die "Baron Gautsch" ist wohl eines der schönsten in der Adria zu betauchenden Wracks. Details zum Wrack findet man bei "Derzeitigen Zustand des Wracks" und bei "Tauchen am Wrack der Baron Gautsch"
Karten und Skizzen:

Quellen

- Literatur:

- Sonstige Quellen:


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